Wolfgang Schorlau

Schrecken der Fleischindustrie

Als wäre es ein kleiner Vorausblick auf das Thema seines Romans, gab Wolfgang Schorlau noch vor seiner Lesung Häppchen in die Reihen der Gäste: „Hier, gebt das mal durch. Sind gut, ne?“ Der benachbarte Bioladen Emma hatte für den Anlass vegetarische Kleinigkeiten in den Saal der Bürgerwache gebracht.

„Ich nehme an, es ist kein Zufall, dass ich zu Beginn der Fastenzeit hierhin eingeladen wurde“, erlaubte sich Schorlau gleich zu Beginn einen Scherz. Dass er gut aufgelegt war, bewies er bei der Beschreibung seiner Idee um die Romanreihe seines Helden Georg Dengler. Und dem Ratschlag eines Profi-Kollegen. Dessen Antwort hätte nämlich gelautet: „Privatermittler funktionieren in Deutschland nicht. Das Aufspüren der Wahrheit ist ein hoheitlicher Akt, das können nur Beamte“. Daraufhin habe Schorlau seinen Helden schnell rückwirkend zum ehemaligen Hauptkommissar gemacht.

Und der hatte es in „Am zwölften Tag“ unverhofft mit der Fleischindustrie zu tun. Dengler erhält einen Anruf von seiner Ex-Frau Hildegard. Der gemeinsame Sohn Jakob wird vermisst, er melde sich nicht von einer mit Schulfreunden geplanten Reise nach Barcelona zurück. Bei der gemeinsamen Visite der Wohnung des Sohns stellen sie fest, dass sie offenbar nicht alles über Jakob wussten. Auf seinem Computer entdecken sie Videos von einer Transportübergabe von Kälbern in eine Schlachterei. Die Kälber stolpern und sind teilweise lahm. Aus dem Kommentar Jakobs geht hervor, dass die Tiere wochenlang eisenarm ernährt wurden, um besonders helles Fleisch zu liefern. Sie erhielten also eine „künstliche Leukämie“.

Recherchen für den Roman

In einem Nebenstrang der Geschichte wird deutlich, dass sich Jakob mit seinen Freunden tatsächlich nicht im Ausland aufhält, sondern in der Nähe von Oldenburg. Dort wollen sie – ausgestattet mit Nachtsichtgeräten und Kameras – eine Putenfarm unter die Lupe nehmen. Sie werden dabei aber von einer Rockerbande auf- und festgehalten.

Der Autor stützt sich bei seinen Büchern auf Recherchen nach dem Schema: „Erstens alles dazu lesen. Zweitens mit Leuten, die mehr darüber wissen, reden. Und drittens vor Ort selbst ansehen. Mit Freunden von Bekannten von Freunden usw.“. So besuchte Schorlau auch eine Putenmastfarm in der Nähe von Oldenburg. Und ließ seine Eindrücke in „Am zwölften Tag“ einfließen.

Die Puten würden auf so engem Raum – in ihren Exkrementen stehend – herangezogen, dass sie teilweise selbst darin pickten. Und durch die Herausbildung der begehrten Putenbrust erhielten sie Haltungsschäden, kippten vornüber, es bildeten sich Eiterbläschen in der Brust. Da nähme die Verwendung von Antibiotika kein Wunder. Zuhause beim Verbraucher können sich dadurch entstandene Keimresistenzen aber schnell rächen. „Einmal das rohe Fleisch in der Hand gehabt und dann den Mund gewischt, das kann es schon gewesen sein“, so Schorlau.

Prekäre Arbeitsbedingungen dank Werkverträgen

Währenddessen muss der aus Rumänien in einer Großschlachterei angeheuerte Kimmi darum kämpfen, überhaupt seinen Lohn zu erhalten. Über Werkverträge und Subunternehmer dort gelandet, soll er einen Stundenlohn von 2 bis 3 Euro erhalten (eine warme Mahlzeit und ein Bett in einer Unterkunft mit 15 anderen Arbeitern zusammen inklusive). Aber Kimmi wartet schon seit zwei Monaten auf sein Geld, dem vermittelnden Vorarbeiter sind gegenüber den weißbekittelten und schimpfenden Vorgesetzten die Hände gebunden. Bis alle am Fließband nach und nach die Arbeit niederlegen.

Auf die Publikums-Frage, ob Schorlaus Romane denn Erfolge oder Verbesserungen nach sich gezogen hätten, antwortete dieser: „Erstaunlicherweise ja. Denn jeder kann für sich sofort etwas tun und sein persönliches Konsumverhalten ändern“. Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied und Moderatorin der Diskussion, bestätigte, dass der Roman ihr Verhalten nochmal geändert habe. Und hielt Schorlaus Bücher insgesamt für exzellente Beiträge zur Diskussion und als Anregung zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen.

Ob Georg Dengler dann aber Erfolg bei der Suche nach seinem Sohn Jakob hatte, das ließ Schorlau am Abend offen. Die Lust auf „Fleisch von der Stange“ verging am Donnerstagabend immerhin allen Zuhörern in der Bürgerwache.

Weitere Info-Links von Wolfgang Schorlau zu „Am zwölften Tag“:
http://www.schorlau.com/Materialien_zwoelfterTag.html

Veranstaltungstipps zum Thema:
-Treffen des Vegetarierbundes Bielefeld am Sonntag, 9. März, in Raum 104 in der Bürgerwache.
-Filmvorführung „We feed the world“ am Donnerstag, 27. März, um 19.30 Uhr im Saal (Erdgeschoss) der Bürgerwache.

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