
Auf den Spuren des letzten Büchner-Stücks
Alt ist Georg Büchner nicht geworden. Dennoch hat er in seinem 23-jährigen Leben mit Stücken wie „Dantons Tod“, „Woyzeck“ oder „Leonce und Lena“ Werke geschaffen, an denen manch ein Schüler nicht vorbei kommt. Und Büchner hatte noch anderes in der Schublade. Am Samstag besuchte die Berliner Schriftstellerin Heidi von Plato die auto-kultur-werkstatt (akw), um dort aus ihrem Roman „Das verschwundene Manuskript“ vorzulesen, einem historisch-fiktiven Buch über Büchners Arbeit an einem Stück über den italienischen Dichter Pietro Aretino.
Als Urheber der Parole „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ (in der Flugschrift „Hessischer Landbote“) dürfte Büchner an der aufmüpfigen Haltung Aretinos gegenüber Fürsten und Päpsten Gefallen gefunden haben. Das Stück soll es tatsächlich gegeben haben, ist aber verschollen. Aretino sein „ein Feuerkopf, so wie du einer bist“, sagt Büchners Verlobte Minna zu ihm im Roman.
Von Platos Geschichte spielt an realen Schauplätzen in Straßburg und Zürich und benutzt historische Figuren aus dem Umfeld des Schriftstellers, um drei mögliche Variationen des Verschwindens des Aretino-Stücks durchzuspielen. Da ist zum einen Peppi, der psychisch verwirrte Neffe des Straßburger Vermieters, der in dem Stück einen „Nebenbuhler“ um die Aufmerksamkeit Büchners sieht, es verschwinden lassen will und sogar den überarbeiteten Kopisten zur Herausgabe bedrängt.
In Zürich, Büchners letztem Wohnort, vertraut er das Original einem bekannten Arzt und Dichter, Beddoes, an. Der wird später wegen seiner Homosexualität erpresst und soll es „im Casino hinterlegen“. Zum Glück hatte Beddoes aber ebenfalls eine Kopie anfertigen lassen.
Ebenfalls für das Verschwinden in Betracht käme Büchners Verlobte Minna, die bei einem Kirchenbesuch Anstoß nimmt an obszönen Freudenhaus-Szenen innerhalb des Aretino-Stücks. „Das verschwundene Manuskript“ behandelt alle drei Möglichkeiten gleichrangig und löst das Rätsel nicht auf – ganz so, wie noch heute über den Verbleib spekuliert wird.
Mit tiefen Timbre flankierte die Bielefelderin Elisabeth Dohmen die Lesung und interpretierte Gedichte von Else-Lasker Schüler mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ansonsten hörbar an Alexandra oder Dahlia Lavi orientiert, füllte Dohmen mit Stücken wie „An den Ritter aus Gold“ oder „Gedicht meines Lebens“ den Raum.