
Von Hamburg bis nach Swasiland
Klar, dass auch Kinder kommen, wenn eine der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendschriftstellerinnen in der Uni liest. Und Kirsten Boie freute sich darüber auch bei der öffentlichen Lesung als diesjährige „Bielefelder PoetIn in Residence“. Aber Boie musste vorwarnen: „Das erste Buch wird euch bestimmt interessieren“. Für die zweite Wahl des Abends war sie sich nicht so ganz sicher und bot den kleineren Gästen an, davor gehen zu können.
Der Beginn von „Seeräuber-Moses“ bot zunächst einen Sturm auf hoher See, die lustige Mannschaft um den Piratenkapitän Klaas Klappe und wie sie gemeinsam von der Reeling ein gesunkenes Schiff betrauerten – und die darauf vermuteten Schätze. Stattdessen entdeckten sie eine Waschbalje („Seeräuberwort“ für „Waschwanne“) und in ihm ein Säugling. Mit „Moses“ fand Smutje Bruder Marten als Einziger der Crew mit religiöser Bildung bald den rechten Namen für den Kleinen und es wird klar, dass auch in Piratenbrüsten ein weiches Herz schlagen kann: „Und sie stritten sich darum, wer Moses als Nächstes kitzeln durfte“.
Moses‘ Geschrei lässt ‚Haken-Fiete‘ bemerken: „Doch, doch, das wird ein kräftiger Seeräuber, verdammich“. Doch als die kleinen Klagelaute nicht enden wollen („Vielleicht will er einen Humpen Bier?“), kommt ‚Nadel-Mattes‘ auf die Idee, einmal die Windeln zu wechseln. Wobei er feststellen muss: „Oh Elend, oh Elend. Unser Moses ist gar kein Moses“.
Persönliche Eindrücke aus Swasiland
In dem Buch „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“ hat Kirsten Boie persönliche Eindrücke aus dem südafrikanischen Swasiland verarbeitet. Dort, wo die Rate an HIV-Infizierten die höchste der Welt ist, „sind 45 Prozent aller Kinder Waisen“, berichtete Boie.
Die Geschichte „Mamas Buch“ berichtet von der 13-jährigen Sontu, die ihre jüngere Schwester Folile zur medizinischen Untersuchung bringt. Und um sie bei Laune zu halten, liest sie ihr Geschichten vor. Aus einem Buch, dass die an AIDS verstorbene Mutter für ihre Kinder geschrieben hat. „Mama hat immer so lustige Sachen gesagt. Bis zuletzt“, weiß die kleinere Schwester. Kurz lässt die Mutter in dem Buch den Moment ihrer eigenen Ansteckung aufblitzen. Damals, als sie bei ihrem Onkel zu Gast gewesen war, sei es passiert: „Dein Onkel hat nicht auf uns aufgepasst. Er hat etwas anderes getan, aber das kann man nicht erzählen.“
Kirsten Boie, die sich in dem Aidswaisenprojekt „Moby Dick“ engagiert, wollte mit ihren persönlcihen Erfahrungen nie an die Öffentlichkeit gehen. „Das Elend war so unvorstellbar, das ich es nie glauben konnte, wenn ich es sah“. Aber sie sei zur Einsicht gekommen – und zu dem Buch: „Es gibt eine Verantwortung, darüber zu sprechen“.