
Von der Spannung zwischen Eltern und Kindern
Die Premiere war eine schweißtreibende Angelegenheit. Am Freitag zeigte das AlarmTheater seine neue Produktion „Das Spucken nach mehr“ vor aufgeheiztem und ausverkauftem Haus. Aber die 13 jungen Darsteller meisterten ihre Aufgabe mit Bravour und boten dem Publikum einen äußerst unterhaltsamen Abend.
Die Regisseurin Anna Zimmermann hatte sich an das Thema Eltern-Kindbeziehung gewagt, dass schwierig ist, aber viele Facetten bietet. In vielen Episoden zeigten die Schauspieler Aspekte vom familiären Zusammenhalt bis zum Abnabelungsprozess – und das Beides zwar schmerzhaft sein kann, aber auch Geborgenheit erzeugt.
Bestimmendes Motiv war dabei die Wäsche, stellvertretend für die gemeinsame Hausarbeit. Schon beim Einlass wurden die Gäste mit Darstellern konfrontiert, die mit hoher Geschwindigkeit zahlreiche Tücher falteten. Und es waren Sätze zu hören, die im kollektiven Haushalts-Bewusstsein gelandet sein dürften: „Das faltet sich ja nicht von alleine.“
Ambivalenz in der Beziehung
Gleichzeitig bildeten die weißen Tücher auch eine Leinwand für zwischendurch eingeblendete Interviews mit Eltern. Auch hier herrschte Ambivalenz, zum Beispiel Wut über Kinder, die nicht zuhören. Oder dem O-Ton des Vaters, der sich dafür schämt, sich einen Sohn gewünscht zu haben, mit dem er Fußball spielen könnte. Denn: „Ich liebe meine Tochter über alles auf der Welt“.
Dem gegenüber standen die agierenden Kinder. „Ich weiß nicht, ob ich meine Mutter fragen soll, wie das alles war bei meiner Geburt. Vielleicht hat sie sich gar nicht über mich gefreut,“ zweifelt einer von ihnen. Dann hagelt es Vorwürfe aus dem Lautsprecher: „Räum dein Zimmer auf“, „Trink nicht aus der Flasche“, „Trag nicht immer so viel Dreck rein“. Und abschließend: „Kind, du weißt ja gar nicht, wie sehr ich dich liebe“.
Es werden auch Qualitäten anderer Familienmitglieder berichtet. „Mein Papa versteht alle Briefe von der Krankenkasse. Mein Papa ist ein Krankenkassenbriefe-Versteher“ sorgte für unterhaltsame Auflockerung. Oder die Erkenntnis des jungen Mannes, dessen Mutter „zuhause alles gemacht“ hat („Alles, alles, alles, alles“), dass er – inzwischen ausgezogen – mit 21 Jahren vor einer Waschmaschine stand und nicht weiter wusste.
Anrufe zur Mutter nach Syrien
Inzwischen ist es beim AlarmTheater Tradition, dass bei den dortigen Produktionen junge, unbegleitete Flüchtlinge mitspielen. Berührend war daher unter anderem, wie einer von ihnen erzählte, dass er oft seine Mutter in Syrien anruft, wenn er nicht weiß, was er kochen soll.
Es gibt noch zwei weitere Vorstellungen von „Das Spucken nach mehr“, am Freitag, 2. September, und Samstag, 3. September, jeweils um 20 Uhr. Sie sind zwar ausverkauft, aber Interessierte könnten mit etwas Glück an der Abendkasse zurück gegebene Karten ergattern.
(Fotos: Cornelia Lembke)