
„Mach es selber!“
Die Kulturgruppe bringt seit 35 Jahren mit ungewöhnlichen Konzerten und Veranstaltungen Leben in die Bielefelder Musik- und Kulturszene. Eine Würdigung von Charlotte Weitekemper
„Wenn es nicht das gibt, was du möchtest, mach es selber“. Das dachten sich der Kreis Gleichgesinnter, der 1983 erste Konzerte ihrer Lieblingsbands im AJZ auf die Bühne brachte. Ursprünglich kommt der Freundeskreis aus der Punkrock-Szene. Sie selbst nennen sich „eher Fans, als Veranstalter“. Der ehrenamtlich arbeitende Verein hat sich dafür eine ganz eigene Struktur gegeben. Je nach Kompetenz übernimmt jede oder jeder ein ‚Ministerium‘. Die einzelnen Tätigkeiten wie Licht und Ton, Bandbetreuung oder Finanzen fügen sich dann zu einem Gesamtkonzept zusammen. Um sich finanziell nicht abhängig zu machen, müssen sich ihre Veranstaltungen selbst tragen.
Trotzdem möchten sie keine Insel bilden. Die Vernetzung mit anderen Kulturvereinen und Veranstaltern ist ihnen wichtig. Auf dem ‚Umsonst & Draußen Festival‚ in Porta Westfalica übernimmt die Kulturgruppe die Cocktail-Theke. Mit dem ‚Forum Bielefeld‘ pflegen sie ein vertrauensvolles Verhältnis. Auch die Beziehung zu einigen Bands ist sehr eng. Einige Musiker und die Crew der Kulturgruppen kennen sich oft seit Jahrzehnten und bilden oftmals fast einen familiären Kreis. Auch darum ist es ihnen wichtig, ein guter Gastgeber zu sein, damit sich alle wohlfühlen – nicht nur das Publikum, auch die Bands. Das hat eine lange Tradition. Als die umtriebige Gruppe im Jahr 1999 mit dem ‚Forum Enger‘ einen neuen Partner fand, gaben sie sich als eingetragener Verein eine festere Struktur. Und als das Forum dann nach Bielefeld zog, ging auch die Kulturgruppe mit.
Vom Nachtflohmarkt über Konzerte bis zur Russendisko
Elf Events veranstaltete die Kulturgruppe allein im letzten Jahr. Nicht nur Konzerte, sondern auch den beliebten Nachtflohmarkt. In Zusammenarbeit mit dem Forum werden die Tanzveranstaltungen ‚Russendisko‘ mit dem
ostwestfälisch-osteuropäischen DJ-Kollektiv ‚KLUB 40°‘ und dem Schriftsteller Wladimir Kaminer am DJ-Pult gefeiert. Zu etwas verpflichtet ist niemand der 40 Mitglieder. Jede und jeder beteiligt sich in dem Maße, wie er oder sie kann und möchte. Trotzdem klappt es mit der Aufgabenteilung. Selbst die unangenehmen Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Putzen nach dem Nachtflohmarkt, werden gemeinsam bewältigt. Die Kulturgruppe verlässt sich auf ihren Ressourcenpool und langjährige Freundschaften schaffen die dazu nötige Verlässlichkeit.
Nicht nur die Arbeit verbindet
Es ist aber nicht nur die Arbeit und das gemeinsame Interesse, das verbindet. Auch die jährliche Kulturgruppen-Reise zählt dazu. Ob Städtetrip oder Festivalbesuch mit 40 Leuten – alles war schon dabei. Man ist sehr nah miteinander. Auch deshalb finden die Treffen wöchentlich statt. Um die unterschiedlichen Persönlichkeiten mit ihren eigenen Ideen zusammenzubringen und dann gemeinsam daran zu arbeiten.
Als Studenten und Schüler angefangen, bleibt die Kulturgruppe noch immer ihrem Motto ‚Kultur für alle‘ treu. Auf die Frage, was sich die Crew für die Zukunft wünscht, antwortet ‚Vizepräsidentin‘ Charlotte Koch stellvertretend für die Gruppe: „Dass wir weitermachen, Leute erreichen; einen Grund haben, das weiterhin sinnvoll zu finden, was wir machen; dass wir zur Stadtkultur beitragen und dass es Spaß macht.“
Die nächste, von der Kulturgruppe organisierte Veranstaltung ist das Konzert von Powders for Pigeons und Hyena im Forum am Freitag, 27. April.
(Fotos: Kulturgruppe)
erschienen in der „Viertel„, Nr. 36