
Leserbrief: Jagd auf Parkplatzsucher
Zur Zeit ist der Einmündungsbereich der Fehrbelliner Straße zur Weststraße bis voraussichtlich Anfang Juni voll gesperrt. Die daraus resultierendere, schwierige Parkplatzsituation nahm eine Anwohnerin zum Anlass, einen – teilweise drastischen – Leserbrief an Bielefelds Westliche zu senden, mit der Bitte um Veröffentlichung. „Das Bild was sich hier abzeichnet, ist leider kein Einzelfall, sondern zeichnet sich seit Baubeginn ab und ist ein großes Ärgernis der gesamten Anwohnerschaft“, schreibt sie dazu mit der Ansicht, dass „die Stadt es aber scheinbar zu geringfügig findet, sich um die Klärung dieser Situation zu kümmern“.
Der Brief:
„Das Bielefelder Ordnungsamt macht zielstrebig Jagd auf „not-parkende Anlieger“ in der Baustellennähe. Ob Greis, hochschwangere Mütter, oder einfach nur Anlieger, sie zahlen jährlich € 30,- für einen Anlieger-Parkausweis, können jetzt aber durch die Baustelle, mindestens einen Monat lang nicht dort parken. Damit haben sich die Anwohner mehr oder weniger abgefunden. Aber, wo denn jetzt das Auto parken? Das Ordnungsamt der Stadt erschwert die Parkplatzsuche noch wesentlicher, da seine Mitarbeiter/-innen regelrecht Jagd auf die gebeutelten parkplatzsuchenden Anlieger macht! Hier und da schnell mal eben weitere €30,00 Verwarnungsgeld aussprechen – das versteht man in Bielefeld also unter „praktizierter Bürgernähe!“ Ekelhaft, ausbeuterisch, unmenschlich, nur einige harmlose Bezeichnungen, für dieses Baustellen-Krisen-Management der Bielefelder Verwaltung – innigsten Dank Pit Clausen, Blfd. OB!!!
Hier nur eines von vielen praktischen Negativ-Beispielen: Anliegerin Magdalena Fischer (Namen geä.) allein erziehend, kommt mit ihrer zweijährigen Tochter zurück vom Kindergarten, Parkplatzsuche vergeblich, auch nach mehreren Anläufen vergeblich, dann parken auf verbotenem Terrain, aber nicht verkehrsbehindernd, Kofferraumklappe öffnen, Sportkarre herausheben – immer an der einen Hand das kleine Töchterchen. Einkaufstasche in die andere Hand, Auto verschließen und nach Hause. Jetzt schickt Satan seinen bis über beide Ohren grinsenden Verwarngeld-Eintreiber(in) „ha, wieder jemanden erwischt“ 30Euro im Stadtsäckel. Vom Himmel hoch, ach käme er doch jetzt, der gewünschte Blitz und würde diesem Treiben ein Ende setzen! Es reicht nicht, dass die Anlieger den lästigen Baustellenlärm ertragen müssen, dass die Tassen durch die Erschütterungen auf den Tischen tanzen läßt, nein, es wird ihnen auch noch das sowieso wenige Geld aus der Tasche gezogen, das sie zum (Über-)Leben haben. Wen wundert’s, dass wieder mehr Bürger über Politikverdrossenheit und Verwaltungsfrust klagen – nur weiter so Bielefeld’s Verweser!!!“
Name der Verfasserin bei der Redaktion bekannt
Wie denken Sie darüber, geneigte LeserInnen?
Es würde der Stadt sicherlich nicht weh tun für die Bauzeit die Knöllchentruppe anzuweisen nur die wirklich verkehrs- und sicherheitsrelevanten Falschparker zu ermahnen, aber wo kein Wille is…
Liebe Autofahrer*innen im und durch den Bielefelder Westen,
ihr habt völlig recht: Es gibt nicht genug Parkplätze für euch vor eurer Haustür. Nicht mal in zwei Minuten Fußweg drumherum. Wird es auch nie geben, bitte, wie sollte das denn gehen? Jeden Parkplatz vervielfachen und als Hebebühne im Trottoir versenken? Bürgersteige ganz abschaffen?
Witzig finde ich ja auch die Wahrnehmung, dass hinter jedem Busch eine Politesse hockt, unermüdlich auf Hochschwangere, Gehbehinderte und sonstwie Beladene lauernd, um im passenden Augenblick hervorzuspringen und ihnen ein 30-Euro-Ticket anzukleben. Wobei sie noch hässlich lacht und Funken sprüht? Also, ich fänd’s super!
Als überzeugte Fußgängerin habe ich in den vergangenen Jahren nämlich eine mir selbst manchmal peinliche Abneigung gegen Autofahrer entwickelt. Befeuert wird die durch Erlebnisse wie dieses: Ich überquere die Weststraße auf der Höhe des schönen Blauregens. Daneben duftet weißer Flieder, Amseln interpretieren Klingeltöne, junge Leute schlurfen vorbei, ein Nachbar grüßt. Perfekte Stadtmomente. Ein Auto rollt in Schrittgeschwindigkeit heran. Als ich die Mitte der Straße erreicht habe, der Wagen ist noch 20 Meter entfernt, gibt der Fahrer demonstrativ Gas und nötigt mich, von der Straße zu springen. Die gehört nämlich IHM. Wär er einfach weitergerollt, hätte es genau gepasst, aber das GEHT NICHT MEINS MEINS MEINS. Es gibt die Geschichte in Variationen: Da stehe ich weit nach Mitternacht mit Freunden auf einer stillen Nebenstraße an einer Einmündung. Nicht mittig, aber vielleicht einen halben Meter weg vom Bürgersteig verabschieden wir uns. Ein einziger Wagen nähert sich, und statt uns schlicht zu umkurven, wofür ein minimaler Lenkradeinschlag nötig wäre, fährt die Fahrerin demonstrativ geradewegs auf uns zu und bremst scharf einen Zentimeter vor meinem Knie. WEG DA MEINS MEINS MEINS. Ich übertreibe nicht.
Zwischen Jöllenbecker- und Stapenhorststraße gilt auf der Weststraße Tempo 30. Haben Sie eine Idee, wie wenig das Autofahrer interessiert? GAS GAS GAS. Mit kreischenden Reifen über die Kreuzungen sausen, unerträglichen Gestank stehen lassen, Radfahrer schnippeln, ohne Gefahr hupen, Fußgänger jagen, für eine Strecke von 50 Metern bis zur nächsten Kreuzung mal richtig den Motor jaulen lassen, janz normale Leute auf Halbstarken-Niveau, permanent erlebe ich das hier.
Ach ja, und da ist noch die Arndtstraße. Da wollen Leute drübergehen. Mit Kinderwagen, mit Rollator, mit Blindenstock, manchmal stehen ganze Gruppen am Rand und kommen nicht rüber, weil einfach keiner anhält. Ich beobachte, wie mutige Menschen sich dann mit ausgebreiteten Armen auf die Straße werfen und auf eigene Gefahr den Schülerlotsen machen. Weil die meisten Autofahrer offensichtlich zu dämlich sind, um irgendwas zu denken außer ihrem Mantra: WEG DA MEINS MEINS MEINS.
In sämtlichen Kleinstraßen um den Siegfriedplatz parken Autofahrer gern so, dass man nicht nur hintereinander gehen muss, sondern mit einer Einkaufstüte noch nicht mal allein gerade durchkommt. Was ist denn jetzt mit den Rechten Behinderter, Hochschwangerer, sonstwie Beladener?
Da kann ich nur noch müde lächeln, wenn der Eingang zum Markt auf dem Siegfriedplatz mal wieder von einem Essjuwie mit laufendem Motor verstellt ist, dessen Fahrer sich bestimmt nur schnell mit Biogemüse versorgt. Allen fett im Weg stehen, Hauptsache mir geht’s gut, zum Kotzen, ehrlich.
Um mal auf die Sachebene zu finden: Die Straße gehört allen und wird auch von allen gebraucht. Darum gibt es kein Recht auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum. Sie haben Eigentum im Stadtteil oder eine Mietwohnung — ein Extrazimmer halb auf dem Bürgersteig davor zählt nicht dazu, ist einfach im Paket nicht drin. Deal. With. It.
Beste Grüße, Aiga Kornemann
„In sämtlichen Kleinstraßen um den Siegfriedplatz parken Autofahrer gern so, dass man nicht nur hintereinander gehen muss, sondern mit einer Einkaufstüte noch nicht mal allein gerade durchkommt.“
Würde ich so generell („sämtliche“) nicht unterschreiben, aber in der Rolandstraße war es vor den aktuellen Änderungen tatsächlich so, oder auch gerne immer mal wieder am oberen Ende der Wittekindstraße auf der rechten Seite …
Habe erst gestern gestaunt wie entspannt der Weg zum Sigi über die Rolandstraße auf einmal ist seit man nicht bei jedem Anzeichen von Fußgänger-Gegenverkehr sofort nach Ausweichmöglichkeiten Ausschau halten muss, vom Wegfall von „wie komme ich hier unfallfrei mit Einkaufstüte an jeder Hand durch“ und „mit Rollkoffer auf dem Weg zum Bahnhof spiele ich lieber den „Fußgänger der ein Handfahrzeug mit sich führt und nehme die Fahrbahn statt des Bürgersteiges“ ganz zu schweigen …
Komplettes Autoverbot für Innenstädte! Sofort.
“Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche.” (Umberto Eco)
Na das kann Umberto Eco ja vielleicht mal den Angehörigen der Tausenden von Verkehrstoten, die jedes Jahr in Deutschland sterben erzählen. Ach ne, kann er nicht, er ist ja schon selber tot. Da hat ihm seine Weisheit wohl sowenig genutzt, wie den Opfern von Bequemlichkeit und dem Grössenwahn.
Wie wär’s wenn Du das stattdessen machst?
Da ich selbst in besagter Gegend wohne, kann ich mich der Meinung des Leserbriefes nur anschließen. Es ist grade im ,,magischen Dreieck“ oberhalb des Siegfriedsplatzes ein lästiges einen Parkplatz als Anwohner zu finden, vor allem wenn man einen Wochen- oder sogar zwei Wochen-Einkauf getätigt hat. Ortsfremde, Gäste von Gastrounternehmen oder Fußballfans parken ohne Sinn und Verstand ohne jegliche Genehmigung (Anwohnerschein oder Besucherausweis). In diesem Fall muss man teilweise von der Rückseite des Bürgerparks mehrmals laufen und hat teilweise noch ein Kleinkind dabei. Dies ist durchaus ein Ärgernis und wenn man notgedrungen auf dem Bordstein parken muss, weil die oben beschriebenen ,,Parker“ sich wieder in den Westen Bielefelds begeben, ist dies als Anwohner mehr als störend. Hinzukommt, dass Politessen hier raubvogelartig kreisen und teilweise hier im Karree mehrmals am Tag die selbe Straße kontrollieren.
Ich kann die Meinung der Leute welche vorgeben, dass alle Autofahrer sich wie Tiere aufführen nicht teilen. Natürlich wünscht sich jeder einen grünen Planeten mit wenig Autos nur ist dies leider in der heutigen Zeit nicht realisierbar. Ich selbst bin Berufspendler und lege mehrere 100 Kilometer die Woche zurück. Mit einem Fahrrad oder dem ,,Fussbus“ wäre dies nicht möglich. Die öffentlichen Verkehrsmittel des Nah- u. Fernverkehrs lassen wir hierbei mal außen vor… Die Behauptung einer autofreien Stadt ist meiner Auffassung nach doch recht realitätsfremd.
Alle wollen im schicken gentrifizierten und urbanen Stadteil leben, in einer Altbauwohnung. Nehmen wir an, jede erwachsene Person besitzt ein Auto und möchte dies im Viertel abstellen – wie schick und urban ist der Stadteil noch, wenn überall Parkbuchten, Parkhäuser, Garagen den Stadtraum zerstören?
Bitte, wer zwei Autos pro Haushalt und je einen Stellplatz braucht, obwohl sich dieser Haushalt mitten in der Innenstadt, fussläufig zum Bahnhof befindet, sollte sich eher überlegen in ein Einfamilienhaussiedlung zu ziehen. Ist halt spießiger und weniger urban und schick.
Die Formulierung von Aiga Kornemann (siehe oben) ist übrigens klasse:
„Sie haben Eigentum im Stadtteil oder eine Mietwohnung — ein Extrazimmer halb auf dem Bürgersteig davor zählt nicht dazu, ist einfach im Paket nicht drin. Deal. With. It.“