
Laster der Nacht
Beinahe wäre die gestrige Vorführung des Wanderkinos ausgefallen. Denn so ein altes Schätzchen wie der 40 Jahre alte Deutz-Feuerwehrwagen, mit dem die Künstler Gunthard Stephan und Tobias Rank durch die Lande ziehen, der hat auch mal die ein oder andere Panne. Und nach dem letzten Auftritt in Xanten ist der vordere, linke Reifen gleich zwei Mal platt gewesen. Aber sie hatten es dann doch noch rechtzeitig nach Bielefeld geschafft.
„Laster der Nacht“ nennt sich das Programm. Von Sündenfällen ist den komödiantischen Beiträgen aber kaum etwas anzumerken. „Die Interpretation überlassen wir mal den Zuschauern“, antwortet Stephan lächelnd auf Nachfrage. Vielleicht sei damit ja womöglich ihr Gefährt gemeint.
Stummfilme und Musik präsentieren Rank und Stephan schon seit 15 Jahren unermüdlich auf ihren Reisen. Vor Ort wird die Leinwand am Wagen aufgespannt, der 16mm-Projektor aufgestellt, dann spielen sie ihre eigenen Kompositionen, die die alten Slapstick-Kurzfilme von Buster Keaton oder Charlie Chaplin untermalen. Es gefällt den Leuten, unter freiem Himmel Keatons Tohuwabohu in „Die Garage“ zuzusehen. Oder welch absurde Dinge Chaplin im Schützengraben in „Shoulder Arms“ widerfahren.
Die alten Klassiker leihen sich Rank und Stephan bei Filminstituten aus. Andere, aktuellere Schwarz-Weiß-Stummfilme wie „Krieg und Frieden“ (2012) von Tilo Baumgärtel haben sie von den jeweiligen Machern zur Verfügung gestellt bekommen.
Ein Wanderkino-Abend endet meist unter Applaus. Und nachdem alles abgebaut wurde, suchen sich die beiden irgendwo ein stilles Plätzchen – Wiese, Waldrand, Flussufer – , um mit ihrem alten Wagen dort zu übernachten. Bevor es weitergeht. „Ich mag dieses Vagabundentum“, sagt Tobias dazu.
Zwischen den beiden Terminen auf dem Siggi darf es dann aber auch ausnahmsweise mal ein Hotel sein. „Können wir den Wagen denn einfach hier so stehen lassen?“, fragt Rank besorgt beim Blick durch die Fenster der Bürgerwache. Die einhellige Meinung beruhigt: Auf dem Siggi wird der alte Deutz eher bewundert als demontiert.
Heute (Dienstag, 6. Mai) geht es ab 21 Uhr mit folgendem Programm weiter:
Die Kur (1917) von Charlie Chaplin
Schachfieber (1923) von Wsewolod Pudowkin
Rhythmus 21 (1922) von Hans Richter
Balance (1989) von C&W Lauenstein
Der Ballonfahrer (1923) von Buster Keaton
Hoffen wir auf gutes Wetter. Sollte es regnen, bemüht sich das Team der Bürgerwache derzeit, Räume innerhalb des Hauses zu beschaffen. Der Eintritt ist übrigens frei, Spenden sind aber gern gesehen.
Mehr Infos: www.wanderkino.de