Das kann man sich nicht vorstellen

Das kann man sich nicht vorstellen

Es gehört schon ein bisschen Verrücktheit dazu, sich das spärlich greifbare Werk des russischen Avantgardisten Daniil Charms zusammen zu suchen. Und wenn dann noch jemand zur Hand ist, der sich diese Akribie gibt und der Charms‘ Texte auch noch mit Feuereifer zu intonieren weiß, dann… ja, dann kann man der Röstwerkstadt in der Weststraße 62 zu ihren Abenden mit dem Schauspieler Christian Knäpper nur beglückwünschen.

Völlig absurd, aber doch (Verzeihung!) niedlich wirkte das, was Charms trotz seiner Lebensumstände zu Papier gebracht hatte. So geschehen in der Geschichte „Sache“ ganz merkwürdige Dinge am Familientisch. Man speist gemeinsam – übrigens: bis in den Morgen hinein – und unter seltsamen Vorzeichen („Vater war ein Saufkopp“ – Mama hat eine voluminöse Frisur und eine Pferdestimme) kommt es zu Situationen, mit denen kein Mensch im Normalfall rechnen kann: Die Mutter wird panisch, weil jemand ins Zimmer blickt, obwohl die Wohnung doch im zweiten Obergeschoss liegt. Mönche treten aus Falltüren hervor, schlagen alle Anwesenden und verschwinden wieder. Und nach jeder dieser komischen Begebenheiten: „Alle setzen sich an den Tisch und trinken weiter“.

Apropos „Mönch“. Ein kleines Gedicht von Herrn Charms als Einschub gefällig?

Ein Mönch stieg hinab in die Gruft zu den Toten und rief: „Christ ist erstanden!“ Und alle antworteten ihm im Chor: „Er ist erstanden, wahrhaftig erstanden!“.

Verwirrung schien das maßgebliche Moment dieser Art von Literatur zu sein. In den kurzen Erzählungen „Von den Erscheinungen und dem Existentiellen“ wird zum Beispiel ein Nikolaj Ivanovič Serpuchov dabei beobachtet, wie er eine „Spirituose“ vor sich stehen hat:

Doch richten sie ihre Aufmerksamkeit einmal darauf, dass hinter dem Rücken von Nikolaj Ivanovič Serpuchov nichts ist. Dabei geht es nicht einmal darum, dass sich dort kein Schrank, oder eine Kommode oder etwas Derartiges befände, sondern dort ist überhaupt nichts, nicht einmal Luft. Ob sie es glauben oder ob sie es nicht glauben, doch hinter dem Rücken von Nikolaj Ivanovič Serpuchov gibt es nicht einmal einen luftleeren Raum oder, wie man so sagt, den Weltäther. Offen gesagt, dort ist nichts.

So etwas kann man sich natürlich nicht einmal vorstellen.

Sich „Nichts“ vorzustellen, das macht der Kopf kaum mit. Oder, um es mit Charms zu sagen: „Hier verirren wir uns auch selbst im Labyrinthischen.“

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