Agreement und Message

Agreement und Message

Kurz vor dem Christopher Street Day am Samstag fand im Rahmen der dazu gehörenden Kulturwoche eine Diskussionsrunde in der Bürgerwache statt. Für die Netzwerker schwuler und lesbischer Gruppen war klar: LBGT (=lesbisch, bisexuell, gay, transgender) wird immer sichtbarer und öffentlicher. Und daraus ergab sich die zu erörternde Frage: Führt das automatisch zu mehr Akzeptanz oder verstärkt sie vorhandene Skepsis, Ablehnung und Hass? Die PolitikerInnen und ExpertInnen fragten sich: Wie lässt sich die Akzeptanz verbessern? Und nur darum sollte es auch gehen.

Im Hintergrund schwelte aber noch die Debatte um die Ratgeber-Kolumne aus der „OWL am Sonntag“, in der einem Familienvater dazu geraten wurde, seine Töchter nicht bei der Hochzeit seines schwulen Bruders als Blumenmädchen einzusetzen. Redakteure des Westfalen-Blatts hatten die Einladung zum Gespräch ausgeschlagen. Stattdessen war in dieser Runde Stefan Gerold, stellvertretender Leiter der Bielefelder Lokalredaktion der Neuen Westfälischen (NW) – dem konkurrierenden, zweiten Lokalblatt – anwesend. Nebenbei wurde gleich jemand zum Ausprobieren des neuen Live-Ticker-Tools abgestellt.

„Wieso haben eigentlich fast alle überregionalen Medien darüber berichtet, nur sie als NW nicht?“, fragte Friederike Voigt vom Netzwerk. Gerold: „Was sollen wir denn machen? Sollen wir denn sagen: Euch hat’s aber ganz schön erwischt? Wir sind in einer Konkurrenzsituation. Wir sind zwei verschiedene Medien. Und da gibt es dann mehr oder weniger so Agreements, wenn dem einen was passiert oder etwas gut macht, dass man da nicht drauf eingeht, dass man das lässt…das ist ein Agreement ohne Unterzeichnung, das es auch bei anderen gibt“.

„So etwas gibt es nicht bei der NW“

Gerolds persönliche Meinung sei Erschrecken gewesen, darüber, was dort passiert ist. Und man habe intern in der Redaktion – auch zusammen mit den schwulen Kollegen – darüber beraten. So eine Meinung wie bei der „OWL am Sonntag“ würde es dort aber nicht geben.

„Schwul sein ist in Bielefeld völlig normal“, meinte Gerold auf Anfrage des Moderators Georg Roth. Allein schon deshalb, weil die Stadt einen offen schwulen Oberbürgermeister Pit Clausen hätte. Obwohl – so räumte er ein – man bei der NW jemanden für die Kommentarkorrektur hätte abstellen müssen, als Clausen seine Heirat ankündigte und der entsprechende Artikel dazu einiges an bösen Dingen nach sich zog.

„Naja, man hätte in der Redaktion auch überlegen können, ob man pro-aktiv berichtet, zum Beispiel indem man über die Arbeit von SchLAu erzählt“, regte Georg Roth an. „Hat man noch so etwas wie eine Message?“.

„Also die Message ist erstmal, dass ich hier bin“ (Gerold).

Tatsächlich ging es um Sichtbarkeit

Aber der eigentliche Anlass der Diskussion war ein völlig anderer. Und in einem – im Nachhinein – mehr als anstrengend zu lesenden Live-Ticker im Blog der NW kam dann auch zur Sprache, worum es überhaupt ging.

Tatsächlich sollte der Fokus des Abends auf so toller Arbeit wie bei der SchLAu-Initiative liegen, bei der ehrenamtlich und auf Augenhöhe in Schulklassen Aufklärungsarbeit geleistet wird.
Oder um die des Mädchentreffs beim FraZe, die nur deshalb möglich ist, weil zufällig jemand von Landesfördermitteln wusste und so eine halbe Stelle beantragt und bewilligt werden konnte.

Das Dumme ist nur, dass Fördermittel nie auf Dauer da sind, sondern immer nur projektweise genehmigt werden. Langfristige Planung gehe so nicht. Auch im Bielefelder Haushaltsplan seien – so sagte es SPD-Ratsmitglied Wiebke Esdar – in Zeiten des Sicherungskonzeptes kaum Ressourcen übrig für eine Art „Diversity-Referat“. Wünschenswert sei zwar ein Gleichstellungs-Büro direkt neben dem Oberbürgermeister, aber der Rat könne momentan und auch die kommenden fünf Jahre nur das verteilen, was er habe.

Eingeplantes Geld ist also momentan nicht vorhanden. Die Forderung ging dann auch eher in Richtung der Medien und dem Stadtmarketing, nicht nur „bunte Bilder“ vom CSD zu liefern, sondern auch einmal über die ständig vorhandene Aufklärungsarbeit zu berichten.

Stefan Gerold hatte angekündigt, sich mit Friederike Voigt zu lesbisch-schwulen Themen auszutauschen. Und damit die Diskussion nicht zur reinen NW-Selbstbeweihräucherungs-Veranstaltung im Sinne von „Wir waren da, weil das Westfalen-Blatt nicht da war“ wird, hat Bielefelds Westliche Gerold mehrfach (Stefan!) auf eben dieses abgegebene Versprechen hingewiesen.

(Bild oben, von links: Friederike Voigt (Netzwerk lesbischer und schwuler Gruppen Bielefeld), Dominic Hallau (Bündnis 90/Die Grünen), Stefan Gerold (NW), Wiebke Esdar (SPD), Nora Ellerbrock (SchLAu), Alexey Urev (Landeskoordinator Antigewaltarbeit)).

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