100 Jahre am Siggi

100 Jahre am Siggi

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Friedrich und Luise Gehring.

Alle Siggi-Besucher kennen die Supertram. Die Außengastronomie des Restaurants „Der Koch“ steht aber noch gar nicht so lange auf dem Platz, erst seit 1998. Die Inhaber Fred und Kathrin Gehring können heute, am 1. Oktober, ein ganz besonderes Jubiläum feiern: Denn Opa Friedrich eröffnete in den Räumen an der Ecke West- und Rolandstraße exakt vor 100 Jahren sein Geschäft! Über drei Generationen hinweg das Familienunternehmen am selben Ort am Leben zu erhalten – das müssen andere erst einmal nachmachen.

Herzlichen Glückwunsch! Und: Respekt!

Bäckermeister Friedrich Gehring war 31 Jahre alt, als er seine Konditorei öffnete – in dem Haus, das er zu Beginn des Jahres gekauft hatte. Die Bürgerwache war ebenfalls kurz zuvor eingeweiht worden, der Wochenmarkt fand erst seit 1903 auf dem noch nicht befestigten Siggi statt. Für sich und seine Frau Luise wollte „Fritz“ dort eine Existenz aufbauen und auch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließ ihn nicht davon abhalten, etwas Neues zu wagen. Während der heutige Restaurantbereich an einen Friseur vermietet wurde, backte Fritz im heutigen Kaminzimmer, und vorne – dort, wo heute das Bistro ist – wurde verkauft.

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Der erste Gewerbeschein.

Die Gehrings überstanden schwere Zeiten. Zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise, ganze 40 Jahre, bevor sie ihr Geschäft an den Sohn Werner und dessen Ehefrau Barbara übergaben. Und da die Bäcker es immer schwerer hatten – die industrielle Produktion wuchs stark an – beschlossen sie, etwas anderes zu versuchen: Die Gastronomie. Schon 1955 öffnete „Gehring’s Bierstube“ (mit englischem Apostroph und Eingang an der Rolandstraße), und sie wurde ein voller Erfolg. In der frühen BRD wollte der Westen ausgehen und feiern. Bald musste erweitert werden, aus der „Bierstube“ wurde vorübergehend die „Krawattendiele“ und 1962 dann die „Kajüte“.

„Nur für nette Leute“

Unter Fischernetzen, Angelutensilien und der – zeitweise – größten Bierdeckelsammlung Deutschlands ersann Werner so manche „Schnapsidee“. Das „Kajütenfeuer“ war beispielweise ein Getränk, das sich nicht durchsetzen wollte. Dafür wurde hier aber nachweislich der „Saure Paul“ (Zitronensaft und Kornbrand) erfunden. Das zog zahlreiche Leute an. „Nur für nette Leute“ wohlgemerkt, denn so lautete das Motto der Kajüte.

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Im alten Kajüten-Saal.

1987 übernahmen Fred und Kathrin dann und gaben dem Lokal den aktuellen Namen „Der Koch“. Und da sich der Westen änderte, jede Menge freiluftliebende Studenten kamen, wurde 1990 der Biergarten auf dem Siggi eröffnet. Denn zum Glück war der Platz zu diesem Zeitpunkt neu gestaltet, die durchgehende Rolandstraße verschwunden.

Und um dieser Gastronomie noch den letzten Pfiff zu geben, haben Fred und Kathrin sich nach einem Straßenbahnwagen umgesehen – passend zur neuen Haltestelle der Linie 4. Der wurde in der Stadt Brandenburg gefunden und 1998 mit einem Tieflader begrüßt. Die „Supertram“ war geboren und wird seitdem unterirdisch vom Koch durch Bierleitungen versorgt.

100 Jahre voller Anekdoten und Geschichten sind zusammen gekommen. Und sie lassen sich schlecht in einem so kurzen Artikel zusammenfassen. Die Empfehlung: Einfach mal zu Fred und Kathrin rüberschauen und sich ein paar davon erzählen lassen (den Glückwunsch nicht vergessen!). Ein weiterer Tipp: Ein Blick auf die Wände des Gangs zwischen Bistro und Restaurant verrät mit Bildern und Zeitungsartikeln viel über die Geschichte des Kochs und des Viertels.

Am Samstag, 4. Oktober, ist übrigens der letzte Tag der Supertram-Außensaison. Und danach haben die Gehrings wohlverdienten Urlaub.  Der soll ihnen gegönnt sein. Erholt Euch, macht’s gut und bis demnächst.

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(Bild oben: Katrin und Fred Gehring, zusammen mit Mama Barbara in der Mitte vor der Supertram)




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